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2:1 fürs Gendern

Das Wissenschaftsmagazin nano widmet sich dem Thema gendergerechte Sprache

„2020 ist das Jahr des Genderns“ titelte am 16.12.2020 Genderleicht, das Projekt vom Journalistinnenbund zu gendergerechter Sprache in den Medien, in einem Newsletter. Wir können dem nur zustimmen – die Debatten ums Gendern sind lebhaft und kontrovers. Der Wunsch nach Information, empirischen Fakten und Umsetzungshilfe ist riesig.

In einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins nano wurde das Thema aufgegriffen und der Stand der Forschung zu geschlechtergerechter Sprache aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt: Dass sogenannte generische Maskulina keine ausgeglichene mentale Repräsentation von Frauen evozieren ist seit langem bekannt und gut erforscht. Für nano konnten wir ein Experiment des Max-Planck-Instituts nachstellen, das dieses mithilfe von EEG-Messungen deutlich macht. In dem Satz „Die Studenten gingen zur Mensa, weil einige der Frauen Hunger hatten“ irritiert das Gehirn, es muss eine Reanalyse stattfinden, ob Studenten auf die im zweiten Teil genannten Frauen referieren kann. Diesen Effekt gibt es nicht, wenn der Satz heißt „Die Studenten gingen zur Mensa, weil einige der Männer Hunger hatten“ – ein deutlicher Hinweis darauf, dass sowohl maskuline als auch feminine Formen zunächst geschlechtsspezifisch interpretiert werden.

 

Dr. Marcus Friedrich von der TU Braunschweig zeigt außerdem wie in der Pädagogischen Psychologie zu dem Thema geforscht wird und dass diverse, lange bestehende Argumente gegen das Gendern nicht haltbar sind: Gegenderte Texte werden als mindestens genauso gut lesbar und verständlich bewertet wie solche mit ‚generischem Maskulinum‘ (Ausnahme: Schrägstrich). Darüber hinaus konnte Friedrich zeigen, dass Texte, konkret waren es Spieleanleitungen, ein höheres Interesse wecken, wenn sie mit Gender-Stern verfasst waren – d.h. Gendern hat Auswirkungen auf das Verhalten. Dieses Ergebnis ist besonders interessant, denn zu den diversen neueren Formen gendergerechter Sprache gibt es bislang wenig Forschung. Welche mentalen Repräsentationen hervorgerufen werden, wird die Forschung in den nächsten Jahren zeigen und die emotionale Debatte um weitere Erkenntnisse bereichern.

 

Als Replik zum Einwand, dass Genus und Sexus nichts miteinander zu tun hätten und in gendergerechter Sprache unzulässig miteinander vermischt würden ist gerade heute in der NZZ ein Beitrag von Gabriele Diewald und Damaris Nübling mit dem Titel "Genus und Sexus: Es ist kompliziert" erschienen, der sehr anschaulich das komplexe Wechselverhältnis von Genus und Sexus erläutert.

 

Den gesamten Beitrag von 3Sat nano finden Sie hier.

 


Literatur:

Friedrich, M. C. G. & Heise, E. (2019). Does the use of gender-fair language influence the comprehensibility of texts? An experiment using an authentic contract manipulating single role nouns and pronouns. Swiss Journal of Psychology, 78, 51-60. https://doi.org/10.1024/1421-0185/a000223

Mysersky, J., Majid, A., Snijders, T.M., 2019. Grammatical Gender in German Influences How Role-Nouns are Interpreted: Evidence from ERPs. Discourse Processes 643–654. https://doi.org/10.1080/0163853X.2018.1541382 

 

 

 

 

 


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